Japan

Thema: Japanese Whisky

Perfektion & Blending-Kunst

Kanpai! Willkommen in Japan.

Japanischer Whisky. Vor 20 Jahren haben die meisten noch gelacht. Heute räumen die Japaner Preise ab und schocken die schottischen Meister regelmäßig. Was ist da passiert? Und warum schmeckt das Zeug oft so… anders?

Klar, die Japaner haben von den Schotten gelernt. Masataka Taketsuru, einer der Gründerväter, hat in Schottland studiert und die Technik mitgebracht. Aber die Japaner wären nicht die Japaner, wenn sie nicht alles auf ihre eigene Art machen würden: Perfektionistisch, detailversessen und mit einem völlig anderen Verständnis von Harmonie und Blending.

Dieser Spickzettel erklärt, warum japanische Destillerien (fast) keine Fässer tauschen, warum Blending hier die Königsdisziplin ist und wer die wichtigsten Player im Land der aufgehenden Sonne sind.

Torii and fuji mountain

Die Philosophie: Warum Japan anders ist

Das ist der Kern. Wer das nicht versteht, versteht japanischen Whisky nicht. Es geht nicht um Regionen wie in Schottland, sondern um eine völlig andere Herangehensweise an die Produktion.

Prinzip 1: Selbstversorger (Kein Fass-Tausch!)

In Schottland ist es normal: Brennerei A tauscht Fässer mit Brennerei B, um für ihre Blends eine breite Palette an Geschmäckern zu haben. Das gibt es in Japan (fast) nicht!

Die zwei Giganten, Suntory und Nikka, sind erbitterte Konkurrenten. Sie tauschen untereinander keine Fässer. Das bedeutet: Jede einzelne Destillerie (z.B. Yamazaki von Suntory oder Yoichi von Nikka) muss alle verschiedenen Whisky-Stile (rauchig, fruchtig, schwer, leicht, diverse Fasstypen etc.) selbst herstellen können, die der Master Blender des Konzerns für seine Blends braucht.

Die Folge: Japanische Single Malts sind oft unglaublich komplex, weil die Brennereien auf Vielfalt getrimmt sind. Und die Blends sind das Aushängeschild, nicht das “günstige Zeug”.

Prinzip 2: Blending als Kunstform

Weil die Destillerien so viele verschiedene Stile produzieren, hat der Master Blender eine riesige Palette zur Verfügung – aber eben nur aus dem eigenen Haus. Das Blending (Mischen) wird in Japan als absolute Königsdisziplin angesehen.

Es geht nicht darum, Fehler zu kaschieren, sondern darum, aus vielen exzellenten Einzelteilen ein harmonisches, perfekt ausbalanciertes Gesamtkunstwerk zu schaffen. Das Streben nach “Wa” (Harmonie) ist tief in der Kultur verwurzelt.

Die Folge: Japanische Blended Whiskys (wie Hibiki oder Nikka from the Barrel) gehören oft zum Besten (und Teuersten), was man kaufen kann.

Prinzip 3: Perfektionismus & Kaizen

Die Japaner sind besessen von Details und kontinuierlicher Verbesserung (“Kaizen”). Das gilt auch für Whisky. Von der Wasserquelle über die Form der Brennblasen bis zur Auswahl der Hefe – alles wird analysiert und optimiert.

Sie experimentieren viel (verschiedene Hefe-Stämme, Brennblasen-Formen, Fass-Typen), aber immer mit dem Ziel, den perfekten, eleganten Whisky zu schaffen. “Rauer” oder “rustikaler” Charakter ist selten das Ziel.

Die Folge: Japanischer Whisky ist oft unglaublich sauber, präzise und elegant – manchmal fast “zu perfekt” für Fans von dreckigeren Whiskys.

Prinzip 4: Mizunara – Die Diva-Eiche

Ein Markenzeichen vieler älterer japanischer Whiskys ist die Reifung (oder das Finish) in Fässern aus japanischer Mizunara-Eiche. Dieses Holz ist extrem teuer, schwer zu verarbeiten (es “leckt” gern) und braucht lange (mind. 15-20 Jahre), um seinen Geschmack abzugeben.

Aber wenn es klappt, gibt es einzigartige Aromen: Sandelholz, Weihrauch, Kokosnuss und ein Hauch von “Tempel”. Das ist ein Geschmack, den man nur hier findet.

Die Folge: Whiskys mit hohem Mizunara-Anteil (z.B. Yamazaki 18 Mizunara Cask) sind extrem begehrt und teuer.

Die Gründerväter

Die Geschichte des japanischen Whiskys ist untrennbar mit zwei Namen verbunden:

Shinjiro Torii (Der Visionär / Suntory)

Torii war Pharmazeut und Unternehmer. Er gründete 1899 Kotobukiya (später Suntory) und wollte ursprünglich Portwein nach japanischem Geschmack herstellen. Er träumte davon, einen Whisky zu schaffen, der dem feinen japanischen Gaumen schmeichelt – nicht nur eine Kopie des schottischen Stils.

Er heuerte Masataka Taketsuru an, um die erste echte Malt-Whisky-Destillerie Japans zu bauen: Yamazaki (eröffnet 1923). Torii war der Geschäftsmann, der das Risiko einging und die Vision hatte, Whisky in Japan groß zu machen.

Masataka Taketsuru (Der Techniker / Nikka)

Taketsuru stammte aus einer Sake-Brauer-Familie und wurde von Settsu Shuzo nach Schottland geschickt, um dort das Whisky-Handwerk zu lernen (1918-1920). Er studierte Chemie in Glasgow, arbeitete in mehreren Brennereien (u.a. Longmorn und Hazelburn) und heiratete eine Schottin, Rita Cowan.

Zurück in Japan, baute er für Torii die Yamazaki-Destillerie. Später überwarf er sich aber mit Torii über die “richtige” Art, Whisky zu machen. Taketsuru wollte den traditionellen, kräftigen schottischen Stil. Er gründete seine eigene Firma (später Nikka) und baute 1934 seine Traum-Destillerie Yoichi auf Hokkaido – weil das Klima dort Schottland am ähnlichsten ist.

Die wichtigsten Stile

Auch wenn die Produktion anders läuft, orientieren sich die Kategorien an Schottland. Die zwei wichtigsten sind:

1. Japanese Single Malt Whisky

Wie in Schottland: Muss aus 100% gemälzter Gerste bestehen und in einer einzigen Destillerie in Pot Stills gebrannt werden.

Aber: Wegen der Selbstversorger-Philosophie (siehe oben) produzieren japanische Malt-Destillerien oft eine viel größere Bandbreite an Stilen als ihre schottischen Pendants. Yamazaki z.B. hat Brennblasen in verschiedensten Formen und Größen und nutzt Dutzende Fasstypen, um dem Blender Material zu liefern.

Der Geschmack reicht von leicht & floral (Hakushu) über fruchtig & komplex (Yamazaki) bis hin zu rauchig & maritim (Yoichi).

Bekannte Beispiele: Yamazaki 12, Hakushu 12, Yoichi, Miyagikyo.

2. Japanese Blended Whisky

Das Aushängeschild der großen Häuser (Suntory & Nikka). Eine Mischung aus Malt Whiskys (aus den eigenen Destillerien) und Grain Whisky (oft ebenfalls aus eigenen Anlagen, z.B. Chita von Suntory oder Nikka Coffey Grain).

Der Unterschied zu Scotch Blends: Weil die Konzerne alles selbst machen, ist die Qualität der Zutaten oft extrem hoch. Japanische Blends sind keine “billige Alternative”, sondern oft das Ergebnis jahrelanger Perfektionierung durch den Master Blender. Sie sind berühmt für ihre Balance, Harmonie und Komplexität.

Achtung Falle: Bis vor kurzem durfte “Japanese Whisky” auch importierten Scotch enthalten. Seit 2021 gibt es neue Regeln der Japan Spirits & Liqueurs Makers Association (JSLMA), die das (für zertifizierten “Japanese Whisky”) verbieten. Achtet auf das Label!

Bekannte Beispiele: Hibiki Harmony, Nikka from the Barrel, Suntory Toki.

Die wichtigsten Player

Der Markt wird von den zwei Giganten dominiert, die auf die Gründerväter zurückgehen. Aber auch kleinere Craft-Brenner mischen mit.

Suntory (Torii’s Erbe)

Der größte Konzern. Gegründet von Shinjiro Torii. Besitzt die berühmten Malt-Destillerien:

  • Yamazaki: Die erste Malt-Destillerie Japans (1923), nahe Kyoto. Berühmt für ihren komplexen, fruchtigen und oft in Mizunara-Eiche gereiften Stil.
  • Hakushu: Liegt in den “japanischen Alpen” (1973). Bekannt für einen leichteren, grüneren, oft leicht rauchigen Stil.

…sowie die Grain-Destillerie Chita.

Bekannte Marken: Yamazaki, Hakushu, Hibiki (Blend), Chita (Grain), Toki (Blend).

Nikka (Taketsuru’s Erbe)

Der zweite große Player. Gegründet von Masataka Taketsuru. Besitzt die Malt-Destillerien:

  • Yoichi: Taketsurus erste eigene Brennerei (1934) auf Hokkaido. Liegt an der Küste, traditionell mit Kohle befeuerten Brennblasen. Produziert einen kräftigen, oft rauchigen und maritimen Stil (ähnlich schottischen Insel-Whiskys).
  • Miyagikyo: Die zweite Malt-Destillerie (1969) bei Sendai. Moderner, mit Dampf beheizten Brennblasen. Produziert einen weicheren, fruchtigeren und floralen Stil (ähnlich Lowlands oder Speyside).

…sowie Grain Whisky aus Coffey Stills (Nikka Coffey Grain/Malt).

Bekannte Marken: Yoichi, Miyagikyo, Nikka from the Barrel (Blend), Taketsuru Pure Malt (Blended Malt), Nikka Coffey Grain/Malt.

Die Craft-Szene (Chichibu & Co.)

Neben den Giganten gibt es eine wachsende Zahl kleinerer, unabhängiger Brennereien. Der bekannteste Name ist Chichibu, gegründet 2008 von Ichiro Akuto (Enkel des Gründers der geschlossenen Hanyu-Brennerei). Chichibu ist berühmt für Experimentierfreude, hohe Qualität und limitierte Abfüllungen, die Sammlerpreise erzielen.

Andere Namen wie Mars Shinshu, Akkeshi oder Kanosuke zeigen: Die nächste Generation steht bereit.

Unterm Strich

Japanese Whisky ist keine Kopie, sondern eine eigene Interpretation des schottischen Vorbilds. Geprägt von Perfektionismus, der Kunst des Blendings und einer einzigartigen Produktionsphilosophie. Das Ergebnis ist oft elegant, komplex und extrem hochwertig.

Man muss die Preise nicht mögen, aber die Qualität ist meistens unbestritten. Kanpai!