Thema: Deutscher Whisky
Vom Obstbrand zum Single Malt
Prost! Whisky aus Deutschland.
Deutscher Whisky? Gibt’s das überhaupt? Und ist das nicht nur teurer Fusel von Obstbrennern, die auf den Zug aufspringen wollen? Ja, gibt es. Und nein, das ist längst nicht mehr nur Fusel.
Die deutsche Whisky-Szene ist jung, wild und extrem vielfältig. Klar, viele kommen aus der Obstbrand-Ecke. Aber die Zeiten, in denen einfach Korn in ein altes Weinfass gekippt wurde, sind vorbei. Heute gibt es hunderte(!) Brennereien in Deutschland, die ernsthaft Whisky machen – oft mit regionalen Zutaten, viel Experimentierfreude und einer Qualität, die international mithalten kann.
Dieser Spickzettel gibt einen Überblick: Wie sind die Regeln (oder das Fehlen davon)? Woher kommt die Szene? Wer sind die wichtigsten Player? Und was macht deutschen Whisky eigentlich… deutsch?
Regeln vs. Realität
Anders als bei Scotch oder Bourbon gibt es kaum spezifische deutsche Whisky-Gesetze. Deutschland hält sich an die EU-Regeln – und die sind ziemlich basic.
Die EU-Regeln (Das Minimum)
- Muss aus Getreidemaische destilliert werden.
- Muss auf unter 94,8% Alkohol destilliert werden.
- Muss mindestens 3 Jahre in Holzfässern (max. 700 Liter) reifen.
- Muss mit mindestens 40% Alkohol abgefüllt werden.
- Zuckerkulör (E150a) zur Färbung ist erlaubt.
Das war’s. Ob Gerste, Roggen, Weizen, Mais… ob Pot Still oder Column Still… ob neues oder gebrauchtes Fass – alles egal. Hauptsache, die Basics stimmen.
Die deutsche Realität: Freiheit & Vielfalt
Diese “Regel-Armut” ist die größte Stärke (und Schwäche?) des deutschen Whiskys. Es gibt keine festen Stil-Vorgaben. Jeder kann machen, was er will.
Die Folge: Extreme Vielfalt. Single Malts nach schottischem Vorbild stehen neben Rye Whiskeys im amerikanischen Stil, Dinkel- oder Weizen-Whiskys und Experimenten mit alten Getreidesorten. Fassreifungen in Ex-Bierfässern, deutschen Eichenfässern oder abgefahrenen Weinfässern sind an der Tagesordnung.
Das macht die Szene spannend, aber auch unübersichtlich. Man weiß nie genau, was man kriegt.
Geschichte: Vom Obst zum Malz
Die Whisky-Tradition in Deutschland ist jung. Klar, Kornbrand gibt es seit Jahrhunderten. Aber “echter” Whisky nach schottischem oder amerikanischem Vorbild kam erst spät auf. Die Initialzündung kam oft aus einer anderen Ecke: dem Obstbrennen.
Deutschland hat tausende kleine Abfindungsbrennereien, besonders im Süden (Schwarzwald, Bodensee, Franken). Die durften (und dürfen) nur eine begrenzte Menge Alkohol pro Jahr steuerfrei herstellen, meist aus eigenem Obst. Als der Markt für traditionelle Obstbrände schwieriger wurde, suchten viele Brenner nach neuen Nischen.
In den 1980ern und 90ern begannen einige Pioniere (oft inspiriert von Schottland-Reisen), neben Kirschwasser und Williamsbirne auch Getreidemaische zu brennen und in kleine Holzfässer zu legen. Anfangs belächelt, professionalisierte sich die Szene ab den 2000ern rasant. Destillerien wie Slyrs (Bayern) oder Blaue Maus (Franken) zeigten, dass deutscher Whisky ernstzunehmen ist. Heute ist die Qualität oft top, die Preise allerdings auch.
Die Szene Heute: Ein bunter Haufen
Statt starrer Regionen gibt es eher “Cluster” und herausragende Einzelkämpfer. Hier ein (unvollständiger!) Überblick:
Bayern: Die Alpen-Pioniere
Hier fing vieles an. Slyrs am Schliersee (gegr. 1999) war einer der ersten, der professionell Single Malt nach schottischem Vorbild produzierte und damit Erfolg hatte. Sie nutzen bayerische Gerste und Bergquellwasser. Andere folgten, oft mit Fokus auf Qualität und schöner Landschaft.
Namen: Slyrs, Ziegler (Freudenberg, eigentlich Main), Coillmór (Passau).
Brandenburg: Die Roggen-Rebellen
Ganz anderer Schnack. Brandenburg ist Roggen-Land. Die Stork Club Whisky Destillerie (gegr. 2004 als Spreewald-Destillerie) hat sich voll auf Rye spezialisiert – oft 100% Roggen, teils aus lokalem Anbau. Sie experimentieren viel mit Fässern ( deutsche Eiche, Ex-Rotwein). Ein starker Kontrast zum Süden.
Namen: Stork Club.
Der Norden: Harzer Rauch & Küsten-Malts
Auch im Norden tut sich was. Die Hammerschmiede im Harz (bekannt als Elsburn, früher “The Glen Els”) macht seit 2002 Single Malt, oft auch getorft und in spannenden Fässern (Süßwein, Rum etc.) gereift. Sie gelten als Qualitätsführer. An der Küste gibt es kleinere Projekte.
Namen: Elsburn (Hammerschmiede), Friessische Whiskydestillerie.
Der Südwesten: Obstbrand-Wurzeln
Hier schlägt das Herz der Kleinbrenner. Im Schwarzwald, am Bodensee, in Baden-Württemberg gibt es unzählige Betriebe, die neben Obstbränden auch Whisky machen. Die Qualität schwankt stark, aber es gibt Perlen. Oft wird mit verschiedenen Getreidesorten (Dinkel!) und regionalen Fässern experimentiert. Die Kinzig-Brennerei ist ein Beispiel.
Namen: Brigantia (Bodensee), Finch (Schwäbische Alb), Kinzig-Brennerei (Biberach), Kammer-Kirsch (Karlsruhe).
Franken & Andere: Überall Pioniere
Die Szene ist dezentral. Auch in Franken (Robert Fleischmann / Blaue Maus), in der Eifel (Hillock) oder im Saarland (Saarwhisky) gibt es engagierte Brenner, die oft schon lange dabei sind und ihren ganz eigenen Stil entwickelt haben. Viele setzen auf regionale Rohstoffe und Handarbeit.
Namen: Blaue Maus (Fleischmann), Hillock Park, Saarwhisky.
Was macht deutschen Whisky “deutsch”?
Gibt es einen typisch deutschen Stil? Eher nicht. Aber es gibt ein paar Tendenzen:
Experimentierfreude
Weil die Regeln so locker sind, wird viel ausprobiert: verschiedene Getreidesorten (Dinkel, Emmer), ungewöhnliche Fässer (Kastanienholz, Maulbeerbaum, Ex-Bierfässer), lokale Torfquellen.
Regionale Rohstoffe
Viele Brenner legen Wert darauf, Getreide aus der Region zu verwenden, manchmal sogar aus eigenem Anbau. Auch die Nutzung von deutscher Eiche für Fässer nimmt zu.
Obstbrand-Know-how
Die Erfahrung aus dem Obstbrennen fließt oft ein: Präzise Destillation, Fokus auf Fruchtaromen, Wissen über Gärung und Hefe.
Klein & Handwerklich
Ein Großteil der Szene besteht aus kleinen Familienbetrieben. Massenproduktion ist selten. Das bedeutet oft hohe Preise, aber auch viel Liebe zum Detail.
Unterm Strich
Deutscher Whisky ist kein Witz mehr. Die Szene ist erwachsen geworden und liefert eine riesige Bandbreite an Stilen und Qualitäten. Es ist ein wilder Mix aus Tradition (Obstbrand) und Moderne, aus Regionalität und Experimentierfreude.
Man muss vielleicht etwas suchen, um die Perlen zu finden, aber es lohnt sich. Zum Wohl!