Irland

Thema: Irish Whiskey

Was geht da eigentlich?

Irish Whiskey.

Okay, Irland. Was fällt einem ein? Schafe, grüne Wiesen, Regen. Und Whiskey. Aber bei Irish Whiskey denken die meisten an “mild”, “dreifach destilliert” und vielleicht noch “Jameson”. Und das war’s.

Das Problem: Das ist der Stand von 1990. Die irische Szene war klinisch tot – von hunderten Brennereien waren nur drei übrig. Heute sind’s wieder über 40. Das ist kein Comeback, das ist eine Invasion.

Weil die Szene so explodiert ist und voller neuer Stile, alter Mythen und spannender Brennereien steckt, kommt hier der Spickzettel: Was ist dran an den Klischees? Was ist ein Pot Still? Und wer macht das Zeug überhaupt? Los geht’s.

Cliffs of Moher in Irlands County Clare

Typisch Irisch? Die Mythen-Buster.

Mythos 1: “Der ist immer dreifach destilliert!”

Hört man ständig. Und ja, die großen Marken (Jameson, Bushmills, Powers) machen das oft. Das Ergebnis ist ein Brand, der feiner, reiner und “milder” ist. ABER: Es ist keine Pflicht. Cooley (Connemara) macht’s nur zweimal. Teeling experimentiert auch. Also: Oft, aber lange nicht immer.

Mythos 2: “Der ist immer mild und nicht rauchig!”

Stimmt meistens. Anders als die Schotten fackeln die Iren traditionell kein Torf ab, um ihre Gerste zu trocknen (darren). Ergebnis: kein Rauch. Wer also eine “Rauchgranate” sucht, ist hier oft falsch. ABER: Ausnahmen bestätigen die Regel. Connemara ist ein Ire und raucht. Und viele neue Brennereien (Teeling, Dingle) experimentieren auch damit. Also: Verlasst euch nicht drauf.

Okay, und was muss er dann? (Das Gesetz)

Das Nötigste: Er muss in Irland (die ganze Insel, also auch Nordirland) destilliert werden. Er muss mindestens drei Jahre in Holzfässern auf der Insel pennen. Und er darf nicht über 94,8% destilliert werden. Das war’s im Grunde.

Vom “Wasser des Lebens” zur globalen Renaissance

~12. Jahrhundert: Die Ankunft

Die Vermutung liegt nahe, dass der erste Whiskey in Irland das Licht der Welt erblickte. Mönche sollen die Kunst der Destillation aus dem Mittelmeerraum mitgebracht und auf Getreidemaische angewendet haben. Sie nannten das Ergebnis “Uisce Beatha” – das Wasser des Lebens.

1608: Die älteste Lizenz

Die Old Bushmills Distillery in Nordirland erhält die weltweit älteste dokumentierte Lizenz zum Brennen von Whiskey. Ein Meilenstein, auch wenn die heutige Destillerie erst 1784 gebaut wurde.

19. Jhdt: Das Goldene Zeitalter

Irish Whiskey dominiert die Welt. Dublin ist das Epizentrum der globalen Whiskey-Produktion, mit riesigen Destillerien wie John Jameson, George Roe und William Powers (die “Big Four”). Ihre Pot Still Whiskeys gelten als der absolute Premium-Standard.

1920-1933: Der doppelte Schlag

Zwei Katastrophen brechen dem Irish Whiskey das Genick: die amerikanische Prohibition (Verlust des größten Marktes) und der irische Unabhängigkeitskrieg, der zu einem Handelsembargo mit Großbritannien führte. Die Schotten ziehen mit ihren (damals) billigeren Blends vorbei.

1966: Der Tiefpunkt

Der Markt ist kollabiert. Von hunderten Brennereien sind nur noch eine Handvoll übrig. Die verbliebenen Giganten (Jameson, Powers, Cork Distilleries) tun sich zur “Irish Distillers Group” (IDG) zusammen und bündeln ihre gesamte Produktion in einer neuen, gigantischen Destillerie in Midleton, Co. Cork. Bushmills bleibt als einzige weitere Destillerie bestehen.

1987: Der Rebell

John Teeling gründet die Cooley Distillery. Er bricht das De-facto-Monopol von IDG (die inzwischen zu Pernod Ricard gehört) und belebt alte Marken wie Kilbeggan und Connemara wieder. Er führt die doppelte Destillation und den rauchigen Malt wieder in Irland ein. Der Wendepunkt.

2012 – Heute: Die Renaissance

Nach dem Verkauf von Cooley gründen John Teelings Söhne, Jack und Stephen, die Teeling Distillery in Dublin – die erste neue Brennerei in der Hauptstadt seit über 125 Jahren. Das löst eine Lawine aus. Dingle, Waterford, Slane, Roe & Co… Überall im Land eröffnen neue Destillerien. Der Irish Whiskey ist zurück, vielfältiger und spannender als je zuvor.

Die vier Stile des Irish Whiskey

1. Single Pot Still (Das Kronjuwel)

Das ist das Ding. Das Alleinstellungsmerkmal. Gibt’s NUR in Irland. Muss in einer Destillerie in Kupfer-Brennblasen (Pot Stills) gebrannt werden. Das Besondere ist die Maische: eine Mischung aus gemälzter UND ungemälzter Gerste (mind. 30% von beidem). Das war mal ein Trick, um Steuern zu sparen (weniger Malz = weniger Steuer), heute ist es ein Markenzeichen. Die ungemälzte Gerste gibt dem Whiskey einen würzigen, fast öligen und cremigen Charakter. Ein Muss für jeden Fan.

Bekannte Beispiele: Redbreast, Green Spot, Powers John’s Lane.

2. Single Malt (Der Schotten-Cousin)

Kennt man. 100% gemälzte Gerste, eine Destillerie, Pot Stills. Genau wie in Schottland. Der Unterschied ist oft die (siehe oben) dreifache Destillation, die ihn leichter und fruchtiger macht. Bushmills ist der klassische Vertreter. Teeling macht aber auch welchen, und Connemara ist ein (rauchiger) Single Malt.

Bekannte Beispiele: Bushmills 10, Teeling Single Malt, Connemara.

3. Single Grain (Der Füllstoff… oder?)

“Single” heißt nur “eine Destillerie”. “Grain” heißt “alles außer (nur) Gerste” – meistens Mais oder Weizen. Wird in Säulenbrennanalagen (Column Stills) gemacht, was superleichten, reinen Stoff ergibt. Das ist das Rückgrat für 90% aller Blends. Man kann ihn aber auch pur trinken. Schmeckt oft süßlich, fast wie Bourbon.

Bekannte Beispiele: Teeling Single Grain, Kilbeggan Single Grain.

4. Blended Irish Whiskey (Der Bestseller)

Der Motor der Industrie. 90% von allem, was verkauft wird. Ein Blend ist ein Mix aus dem (meist) billigeren, leichten Grain Whiskey (siehe 3.) und einem Schuss “Geschmacks-Whiskey” (Pot Still oder Single Malt). Jameson ist der König hier. Leicht, süffig, tut keinem weh.

Bekannte Beispiele: Jameson, Tullamore D.E.W., Powers Gold Label, Slane.

Wer macht was? (Der Destillen-Überblick)

Regionen wie in Schottland (Islay = Rauch, Speyside = Frucht) gibt’s in Irland nicht wirklich. Es ist eher ein “Jeder macht, was er will”. Wir teilen das mal grob in die Hotspots auf.

1. Dublin (Die Rebellen-Hauptstadt)

Einst das Zentrum der Whiskey-Welt, dann 125 Jahre lang… nichts. Tot. Bis die Teeling-Brüder 2012 kamen und den Wahnsinn neu starteten. Heute ist Dublin wieder voll da. Innovativ, experimentell, oft mit Fokus auf Pot Still und krassen Fass-Finishes. Die beleben die Szene.

Wichtige Namen: Teeling, Roe & Co, Pearse Lyons

2. Co. Cork & der Süden (Der Todesstern)

Hier steht die New Midleton Distillery. Das ist der Todesstern von Irish Whiskey. Eine einzige Mega-Brennerei, in der Jameson, Powers, Redbreast, Green Spot und Midleton Very Rare hergestellt werden. Sie sind die unangefochtenen Meister des klassischen Single Pot Still. Aber auch die Craft-Szene boomt hier, angeführt von Dingle und der “Terroir”-Brennerei Waterford.

Wichtige Namen: Midleton (Jameson etc.), Dingle, Waterford

3. Der Norden (Der Titan)

Ganz im Norden, in Nordirland, sitzt der Titan: Bushmills. Mit der Lizenz von 1608 ist sie die (offiziell) älteste Brennerei der Welt und der Meister des dreifach destillierten Single Malts. Lange war sie der einzige Laden da oben, bekommt jetzt aber Konkurrenz von neuen, spannenden Brennereien wie Echlinville (Dunville’s) und Hinch.

Wichtige Namen: Bushmills, Echlinville, Hinch

4. Die “Anderen” (Midlands & Co.)

Hier passiert der Rest. In Kilbeggan steht die (angeblich) älteste noch laufende Pot Still der Welt – ein echtes Museum, das wieder brennt. Tullamore D.E.W. hat eine riesige, neue Anlage hingestellt. Und auf Slane Castle (ja, das Schloss, wo Metallica spielt) wird jetzt auch Whiskey gemacht. Es poppt überall was auf.

Wichtige Namen: Kilbeggan, Tullamore D.E.W., Slane, Powerscourt

Unterm Strich

Wer bei Irish Whiskey also nur an “mild” und “Jameson” denkt, hat die letzten 20 Jahre verpasst. Die Szene ist wieder da und produziert die volle Bandbreite: von würzig-cremigen Pot Stills über klassische Malts bis hin zu Rauch-Experimenten.

Man muss nicht alles mögen, aber die Vielfalt ist zurück. Sláinte!