Folge 77 – Billich willich

Man mag es kaum glauben, aber es ist wieder so weit. Wir begeben uns einmal mehr auf Erkundungstour abseits des Weges. Vorbei an schwarzen Löchern und dunklen Wäldern wandern wir auf dem schmalen Pfad der Discounter Whiskys. Dem ein oder anderen läuft ein kalter Schauer über den Rücken, weil er sich noch zu gut an die Schrecken der Vergangenheit – Folge 48 – Whisky-Cola-Dosen aus dem Discounter: Can the can? – erinnern kann. Christian glaubt in seinem Wahn sogar, wir nehmen die Rollen der Gefolgsleute von Robin Hood ein. Aber auf unserem Marsch, der uns auch durch die Hochmoore Schottlands und Kentuckys (!?) führt, vorbei an Geschmäckern, die im Durchschnitt irgendwo zwischen “dem Rücken einer Briefmarke” und einem “roadkill vom Freeway” liegen, lautet unser Motto: Nimm es den Reichen, erspare es den Armen! Wenn ihr wissen wollt, ob wir dem Wahnsinn ein weiteres Mal von der Schippe springen können und euch philosophische Fragen wie “Sind grafische Elemente ein Indikator für Qualität?” den Schlaf rauben, dann schaltet zu unserer aktuellen Folge 77 – Billich willich ein!

4 x Discounter Whisky …

  • Old Fellow Kentucky Straight Bourbon Whiskey (Norma)
  • Blackwood Irish Whiskey (Aldi Nord)
  • Ranchwood Kentucky Bourbon Whiskey (Penny)
  • Glen Orchy Blended Malt Scotch Whisky – 5 Jahre (Lidl)
Whisky-Flasche

Old Fellow
Kentucky Straight
Bourbon Whiskey

Aroma
  • Vanille
  • viele Alkoholnoten
Geschmack
  • süßer Sirup
  • leicht aschig
Abgang
  • seeeeehr kurzes Finish
  • Toffee
  • bitter
Whisky-Flasche

Blackwood
Irish Whiskey

Aroma
  • brennt in der Nase
  • Terpentin
Geschmack
  • brennt im Mund
  • muffiges Holz
  • nasse Pappe
Abgang
  • brennt lange nach
Whisky-Flasche

Ranchwood
Kentucky Bourbon Whiskey

Aroma
  • Seife
  • sehr alkoholisch
  • mit Aschenoten
Geschmack
  • wieder Seife
  • brennt auf der Zunge
  • dahinter ist irgendwo Würze
  • Holz
Abgang
  • welcher Abgang?
Whisky-Flasche

Glen Orchy
Blended Malt
Scotch Whisky
(5 Jahre)

Aroma
  • fruchtiges Karamell
  • alkoholische Süße
  • malziger Rauch
  • würzige Gerste
Geschmack
  • süße Früchte
  • nussiges Malz
  • Sherry in Eichenfässern
  • dunkle Mandelschokolade
  • Marzipan mit Vanillegeschmack
Abgang
  • Sherry in Eichenfässern
  • herbe Malznoten
  • rauchige Nüsse
  • fruchtiger Alkohol
  • sowie Kirsche, Mandel und Melone
  • dafür sehr kurzes Finish

Destillerie(n) der Folge im Überblick

Old Fellow Bourbon

Inhaber

Handelsmarke für Aldi; Produzent nicht bekannt (vermutl. Sazerac Company / Barton 1792 Distillery)

Gründungsdatum

Nicht zutreffend (Handelsmarke)

Ø Liter Whisky pro Jahr

Nicht öffentlich bekannt

Master Distiller

  • Nicht bekannt

Dauerbrenner (Core Range)

  • Old Fellow Kentucky Straight Bourbon Whiskey

Old Fellow ist keine eigenständige Destillerie, sondern eine Handelsmarke (Private Label) für Kentucky Straight Bourbon, die vor allem über die Discounter-Kette Aldi vertrieben wird. Die Strategie dahinter ist, Kunden einen preiswerten Einstieg in die Welt des amerikanischen Whiskeys zu ermöglichen. Der Name “Old Fellow” soll dabei Assoziationen von Tradition und Handwerkskunst wecken, obwohl die Marke selbst keine lange Geschichte hat. Der tatsächliche Hersteller bleibt in der Regel anonym, es wird jedoch vermutet, dass der Bourbon von einer der großen Destillerien in Kentucky stammt, wie beispielsweise der Barton 1792 Distillery, die zur Sazerac Company gehört und für die Produktion großer Mengen qualitativ soliden Bourbons bekannt ist.

Da der Produzent nicht öffentlich bekannt ist, lassen sich die genauen Produktionsmethoden nur anhand der gesetzlichen Vorgaben für Kentucky Straight Bourbon ableiten. Der Whiskey muss aus einer Maische mit mindestens 51 % Mais hergestellt, in Kentucky destilliert und für mindestens zwei Jahre in neuen, ausgekohlten Eichenfässern gelagert werden. Der Old Fellow erfüllt diese Kriterien und präsentiert sich typischerweise als ein milder, leicht süßlicher Bourbon mit Noten von Vanille, Karamell und Eiche. Diese Zugänglichkeit macht ihn zu einer beliebten Wahl für Einsteiger oder zum Mixen in Cocktails wie dem Whiskey Sour oder Old Fashioned.

Die Bedeutung von Old Fellow liegt nicht in prestigeträchtigen Auszeichnungen oder einer langen Tradition, sondern in seiner Marktposition. Als eine der bekanntesten Discounter-Bourbonmarken in Deutschland hat er unzähligen Konsumenten den Zugang zu amerikanischem Whiskey erleichtert. In Blindverkostungen schneiden solche Handelsmarken oft überraschend gut ab und bieten ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis. Sie zeigen, dass guter Bourbon nicht teuer sein muss und spielen eine wichtige Rolle bei der Demokratisierung des Whiskey-Genusses.

Blackwood Blended Scotch Whisky

Inhaber

Handelsmarke für Aldi; Produzent nicht bekannt

Gründungsdatum

Nicht zutreffend (Handelsmarke)

Ø Liter Whisky pro Jahr

Nicht öffentlich bekannt

Master Distiller

  • Nicht bekannt

Dauerbrenner (Core Range)

  • Blackwood Blended Scotch Whisky (oft mit 3-jähriger Reifung)

Ähnlich wie Old Fellow im Bourbon-Segment ist Blackwood eine Handelsmarke für Blended Scotch Whisky, die exklusiv für den Discounter Aldi hergestellt wird. Es gibt keine Blackwood-Destillerie in Schottland; der Name wurde gezielt gewählt, um authentisch und traditionell zu klingen. Solche Marken ermöglichen es Supermarktketten, Scotch Whisky zu sehr wettbewerbsfähigen Preisen anzubieten, da sie direkt bei großen Destillerien oder unabhängigen Abfüllern große Mengen einkaufen und unter eigenem Namen vermarkten können, ohne die Kosten für den Aufbau und Unterhalt einer eigenen Marke tragen zu müssen.

Die Produktion des Blackwood Blended Scotch erfolgt durch einen nicht genannten schottischen Hersteller. Als “Blended Scotch” besteht er aus einer Mischung von Malt Whisky (aus gemälzter Gerste, in Pot Stills gebrannt) und Grain Whisky (aus verschiedenen Getreidesorten, in Column Stills gebrannt). Der Master Blender des Herstellers ist dafür verantwortlich, durch die Vermählung verschiedener Fässer ein konsistentes und zugängliches Geschmacksprofil zu schaffen. Das Ergebnis ist typischerweise ein milder, leichter Whisky mit subtilen Noten von Getreide, Honig und einem Hauch von Rauch oder Frucht, der sich gut für den puren Genuss oder als Basis für Longdrinks eignet.

Die Bedeutung von Marken wie Blackwood liegt in ihrer Rolle als “Alltags-Whisky”. Sie konkurrieren nicht mit komplexen Single Malts, sondern bedienen das wichtige Einstiegssegment des Marktes. Für viele Menschen ist ein solcher Whisky der erste Kontakt mit der Welt des Scotch. Trotz ihres niedrigen Preises müssen sie die strengen schottischen Gesetze für Whisky erfüllen, einschließlich einer Mindestreifezeit von drei Jahren in Eichenfässern. Damit bieten sie eine garantierte Grundqualität und tragen maßgeblich zum hohen Gesamtvolumen des weltweit verkauften Scotch Whiskys bei.

Ranchwood American Whiskey

Inhaber

Handelsmarke für Aldi; Produzent nicht bekannt

Gründungsdatum

Nicht zutreffend (Handelsmarke)

Ø Liter Whisky pro Jahr

Nicht öffentlich bekannt

Master Distiller

  • Nicht bekannt

Dauerbrenner (Core Range)

  • Ranchwood American Whiskey

Ranchwood ist eine weitere Handelsmarke aus dem Portfolio von Aldi, die im Segment des amerikanischen Whiskeys angesiedelt ist. Wie bei den anderen Private-Label-Marken existiert keine Ranchwood-Destillerie. Der Name ist eine Marketingkreation, die Bilder von der Weite Amerikas, von Ranches und traditioneller Handwerkskunst hervorrufen soll. Diese Markenstrategie zielt darauf ab, dem Produkt eine Identität zu verleihen, die über den reinen Preis hinausgeht und beim Kunden positive Assoziationen weckt. Der Whisky wird von einer großen, aber nicht namentlich genannten US-Destillerie produziert.

Die Bezeichnung “American Whiskey” ist recht breit gefasst und gibt dem Hersteller mehr Flexibilität als die strengeren Regeln für “Bourbon” oder “Rye”. Während er in den USA destilliert und in Eichenfässern gelagert werden muss, sind die Vorgaben für die Getreidezusammensetzung und die Art der Fässer (neu oder gebraucht) weniger strikt. Dies ermöglicht die Herstellung eines preisgünstigen Whiskeys. Geschmacklich ist Ranchwood oft mild und unkompliziert, mit süßen Noten, die an Mais und Karamell erinnern, was ihn zu einer guten Wahl für Mixgetränke wie Whiskey-Cola macht.

Die Signifikanz von Ranchwood liegt, wie bei seinen Pendants, in der Zugänglichkeit. Er bedient eine preissensible Käuferschicht und fungiert oft als Einstiegspunkt in die Kategorie des amerikanischen Whiskeys. Obwohl er in der Kenner-Szene kaum Beachtung findet, spielt er eine wichtige wirtschaftliche Rolle für die produzierenden Großdestillerien, da er ihnen ermöglicht, große Produktionsvolumen über die Kanäle der Discounter abzusetzen. Für den Verbraucher stellt er eine verlässliche und äußerst erschwingliche Option für den alltäglichen Gebrauch dar.

Glen Orchy Blended Scotch Whisky

Inhaber

Handelsmarke für Lidl; Produzent nicht bekannt (vermutl. Whyte & Mackay oder Ian Macleod Distillers)

Gründungsdatum

Nicht zutreffend (Handelsmarke)

Ø Liter Whisky pro Jahr

Nicht öffentlich bekannt

Master Distiller

  • Nicht bekannt

Dauerbrenner (Core Range)

  • Glen Orchy 5 Year Old Blended Scotch Whisky

Glen Orchy ist eine der bekanntesten Handelsmarken für Scotch Whisky des Discounters Lidl. Der Name ist geschickt gewählt: “Glen” (schottisch für “Tal”) ist ein häufiger Bestandteil der Namen vieler renommierter schottischer Destillerien (z.B. Glenfiddich, Glenlivet), was dem Produkt einen Anstrich von Authentizität und Herkunft verleiht. Eine physische Glen Orchy Destillerie gibt es jedoch nicht. Der Whisky wird von einem großen, etablierten schottischen Unternehmen produziert. In der Fachwelt wird oft spekuliert, dass Unternehmen wie Whyte & Mackay oder Ian Macleod Distillers hinter der Produktion stecken, da diese über die Kapazitäten und das Know-how für die Herstellung solcher Blends in großem Maßstab verfügen.

Der Glen Orchy wird meist als 5-jähriger Blended Scotch Whisky angeboten. Das bedeutet, dass alle in der Mischung enthaltenen Whiskys (sowohl Malt als auch Grain) mindestens fünf Jahre in Eichenfässern reifen mussten. Dies ist zwei Jahre länger als die gesetzliche Mindestanforderung und deutet auf einen gewissen Qualitätsanspruch innerhalb des Preissegments hin. Die Produktion folgt dem klassischen Verfahren für Blended Scotch: Verschiedene Malt- und Grain-Whiskys werden von einem Master Blender sorgfältig ausgewählt und vermählt, um ein gleichbleibendes, weiches und harmonisches Geschmacksprofil zu erzielen, das eine breite Käuferschicht anspricht.

In der Whisky-Welt hat sich Glen Orchy einen Ruf als einer der besten “Discounter-Whiskys” erarbeitet und bietet ein bemerkenswertes Preis-Leistungs-Verhältnis. Er ist ein Paradebeispiel dafür, wie Handelsmarken die Lücke zwischen billigen Spirituosen und teuren Markenprodukten füllen. Für den Preis eines Kinotickets erhält der Kunde einen soliden, trinkbaren Scotch Whisky, der die gesetzlichen Standards nicht nur erfüllt, sondern teilweise sogar übertrifft. Damit spielt Glen Orchy eine wichtige Rolle dabei, Scotch Whisky für ein breites Publikum zugänglich und erschwinglich zu machen.

Avatar-Foto
Grab The Glass

Eine Antwort hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

SOMMERPAUSE!

Liebe Hörerschaft,

Guter Whisky braucht Zeit – und wir auch. Deshalb gönnen wir uns und unserem Podcast eine längere Reifephase im Eichenfass... ähm, im Sommerurlaub.

Keine Sorge, hinter den Kulissen entstehen schon neue Ideen und spannende Themen für den Herbst. Und versprochen: Wir kommen ungefiltert zurück!

Bis dahin: Genießt den Sommer und Grab The Glass! Wir sind im September wieder zurück. 🥃